Harry, 20 Jahre Präsidentschaft der Fédération Suisse d'Aikido – »FSA«, was aber gibt es über Dein Aikidoleben zu berichten?
Wir wollten Tamura Sensei einladen. Dessen Reaktion war, dass er sich nur von einem Verband in ein anderes Land einladen liesse. So wurde ich vor 20 Jahren Mitbegründer des Verbandes »FSA«, was erst aber einmal auf die Beine gestellt sein will. Dies will heissen, wir haben die Statuten in intensiver Abendarbeit erarbeitet.
Es war ein langsames Wachsen, bis dann endlich Solothurn, Klein Basel und Daniel Brunner mit seinem Club zu uns stiessen, dann Zürich, Lausanne, Meilen, Lugano … es war eine traditionelle Entwicklung, entweder eröffneten Schüler ein neues Dojo, oder Leute, die sich bei uns wohlfühlten, traten dem Verband hinzu. Aber natürlich gab es auch Leute, die der Meinung waren, dass es nicht das war, was sie suchten, und haben uns dann wieder verlassen.
Unsere Mitglieder bezahlen weniger für die Stages. Das war und ist für uns immer ein wichtiger Punkt gewesen. Dies brachte uns zwar Kritik ein, aber damit konnten wir immer leben, es soll ein kleiner Anreiz für eine Mitgliedschaft in unserem Verband sein. Wir wollten immer ein Verband sein, der die Ausübung von Aikido unterstützt. Ein Verbandsmitglied soll also nicht auch noch finanziell belastet, sondern unterstützt werden. Da die Stages defizitär sind, werden die Gelder der Mitgliedschaften dafür verwandt.
So haben sich für mich persönlich, um so einen Schwenk zu dem zweiten Teil Deiner Frage zu machen, zwei Punkte verwirklicht. Wir und auch ich haben irgendwann erkannt, dass wir im Sinne des Begründers Aikido praktizieren wollten, und in Tamura Sensei haben wir einen würdevollen Vertreter dieser Linie entdeckt, zumal Tamura Sensei in einem noch formbaren Alter bei O Sensei lernte und Ueshiba selbst bereits seine absolute Reife erreicht hatte. Damit kritisiere ich andere Schüler von O Sensei nicht, sondern stelle eine günstige Alterskonstellation von Tamura zu O Sensei fest.
Heute passiert es, dass Tamura irgendwelche Spielchen macht. Wenn du ihn fragst, dann sagt er, das habe er von O Sensei abgeschaut, der habe das damals so gemacht. Letzthin sah ich, wie er einzelne Muskeln übte.
Ja und der Kontakt zu Yamada Sensei hat sich zwangsläufig für uns ergeben. Das ist so gewachsen. Wir möchten das gewisse Handwerkliche erlernen.
Leider sind Hierarchien unter den Schülern von O Sensei feststellbar, die im Grunde gänzlich unvorstellbar sind, aber damit muss man wohl leben.
Warum gibst Du dieses Amt des Präsidenten auf?
Zwanzig Jahre sind eine lange Zeit, fast eine Generation. Da ich nie versucht habe, aus diesem Amt eine Machtposition abzuleiten, sondern dieses Amt als ein repräsentierendes Mitglied der »FSA« wahrgenommen habe, wird es nach einer solch langen Zeit notwendig, dass Jüngere das übernehmen.
Auch möchte ich im Vorstand der »FSA« nicht irgendeine andere Aufgabe übernehmen, denn es ist wichtig, dass sich in dieser Organisation neue Zellen bilden. Ich werde aber sicherlich in einem anderen Bereich eine andere Aufgabe übernehmen, aber hauptsächlich möchte ich in Ruhe ohne irgendeinen Zwang weiter Aikido praktizieren.
Wann hast du mit Aikido begonnen?
1969 bei Michel Inatnit, einem Mitglied der ACSA. Das war aber noch Mochizuki-Aikido. Von 1969 bis 1973 trainerte ich sehr intensiv.
Dann folgte 1973 die erste Begegnung mit Tamura Sensei. Es folgte eine Phase des Umdenkens mit der Erkenntnis, dass ich klassisches Aikido erfahren wollte. Meine berufliche Entwicklung stoppte meine Aikidoentwicklung von 1975 bis 1981. Aber dann, ab 1981, war ich wieder voll dabei, und zwar im Dojo in Biel. Ich erteilte dort auch ein wenig Unterricht, bis ich auf einmal als einziger Lehrer dastand, was mich nicht weiter bekümmerte, denn ich trainiert mindestens viermal in der Woche. Montags, Dienstags und Donnertags trainierte ich in Lausanne mit, und Mittwochs und freitags gab ich in Biel Unterricht, das variierte dann ein wenig mit den Tagen.
Strebt die »FSA« an, ihren Mitgliedern eine Lehrerausbildung anzubieten, wie es z. B. die ASCA macht?
Siehst Du, einen wichtigen Punkt der jüngsten Vergangenheit habe ich fast vergessen. Vor zwei Jahren haben wir die Anerkennung durch das Honbu Dojo erfahren. So sind wir seitdem dabei, unsere Statuten umzugestalten, was auch einiges an »Umorganisation« erfordert, und darin soll auch eine Lehrerausbildung eingebunden sein. Das wiederum geht mit einer Veränderung der technischen Kommission einher. Diese Lehrerausbildung haben wir theoretisch schon lange, Samstags ist bei den Stages der Morgen »nur für Lehrer« vorgesehen, meistens nehmen alle daran teil. Anderseits erhalten so die Schüler auch einen ganz anderen Einblick, nämlich, dass ihre Lehrer genau wie sie lernen müssen und auch dasselbe lernen wie sie selbst.
Die ebenfalls aus dem Verband scheidende Sekretärin ist Volljuristin; sie und ich, wir werden die neuen Statuten fertig stellen und gewisse Reglementierungen erstellen, denn die Statuten sollen erheblich von verbalem Ballast befreit werden. Dieses Werk werden wir dann dem neuen Vorstand zur Verfügung stellen, der das mit den Sektionen dann diskutieren kann. Du siehst, es bleibt mir eine kleine verantwortungsvolle Aufgabe, worauf ich gespannt bin.
Also keine Trauer als scheidender Präsident?
Nein, keinesfalls, ich habe mir ja nie einen Präsidentensockel aufgebaut, ich habe nur eine Aufgabe ausgeführt.
Er wird sich sicherlich in der Zukunft einiges ergeben, was von Interesse sein wird, was aber nicht nur in unserem Verband neue Perspektiven bringen wird. Denn was wird passieren, wenn eines Tages unsere Shihans nicht mehr da sind, werden wir dann junge Shihans aus dem Honbu Dojo oder unsere eigenen »Emporkömmlinge« akzeptieren?
So wie ich Doshu kennengelernt habe, wird es ihn nicht stören, wenn gute Shihans auch aus westlichen Reihen kommen.
Nun, das ist ja schon der Fall, es gibt ja schon einige.
Aber das liegt für uns ja noch in der Zukunft. Letztendlich müssen sie von den Schülern akzeptiert werden.