Gespräch mit Dr. Micheal Russ uas Stockheim.

Wir sind anerkannt - über Paul Muller und den »syosekai« bis hin zum Honbu-Dojo – und jetzt darf "er" wachsen, der typische Nishio-Stil …

Micheal Russ aus Stockheim.
Micheal Russ aus Stockheim.

Michael, Du bist mir von der Diskussionsliste her bekannt. Wie bist Du zum Aikido gekommen?

Es war 1991, glaube ich. Ich habe aber schon mit zehn Jahren als Internatsschüler um 1970 herum mit Karate begonnen. Es gab damals ja auch nichts anderes als Karate.


War das nicht die Zeit der Bruce Lee - Filme?

Richtig, aber Aikido wurde nirgends in Deutschland angeboten; Karate war nun mal am weitesten verbreitet. So habe ich damals angefangen. Ich erinnere mich, dass dann irgendwann einmal ein anderer Schüler ein Aikidobuch von Gerd Wischnewski dabei hatte. Es weckte meine Neugierde; mein Gedanke war, wenn ich einmal die Möglichkeit haben sollte, dann wollte ich das ausprobieren… das sollte aber noch 20 Jahre auf sich warten lassen.

Als ich dann ab 1980 die Universität besuchte, trainierte ich noch immer Teakwondo und Karate. Auch Boxen habe ich einige Jahre praktiziert. Ich bin eben ein Mensch, der es gerne effektiv hat…

Nun, ich trainierte dann Karate immerhin bis zum 6. Dan und Taekwondo bis zum 5. Dan… Als ich dann nach dem Studium 1986 in meine Heimatstadt Kronach zurückkam, hatte ich das Problem, dass es hier kein Dojo gab. Also habe ich eine Taekwondo Schule eröffnet.

Irgendwann nach dem Training diskutierten wir ein wenig, und ein Freund zeigte einen »sankyo«. Sofort hat es bei mir geklingelt. Das war genau das Bild, was ich mir aus dem Buch von Gerd Wischnevski Anfang der siebziger Jahre gemerkt hatte. Mit großen Augen fragte ich: »Wo hast Du denn das her?« Er antwortete: »Vom Aikido«. »Wo machst Du denn Aikido, das gibt es hier doch gar nicht«, antwortete ich. »Doch« sagte er, »in Ebensfeld, da gibt es eine Aikidoschule«. Und so bin ich in das 50 km entfernte Ebensfeld gefahren um mit Aikido bei Herbert Wagner zu beginnen. Ich besuchte dann einige Lehrgänge und bin sogar nach München zu Adriano Trevisan gefahren und habe dort trainiert…

Aber eigentlich waren Karate, Taekwondo und Boxen eher so »mein Ding«. Nach ca. fünf Jahren sah ich noch immer kein Land, es war weich, entspannend und rund, aber mir fehlte das »Wirkungsvolle«. Ich ging längere Zeit mit dem Gedanken schwanger mit dem Aikido aufzuhören. Da ich von »außerhalb« kam, war immer mein erster Gedanke, wenn mir jemand im Aikido etwas zeigte: wenn das nicht hier auf der Tatami wäre, dann würde man in einen Tritt oder einen Schlag reinlaufen… so kam, was kommen musste, ich sagte allen meinen Freunden, dass ich aufhöre, weil mir am Aikido etwas fehlte. Dann sagte mir jemand: »Warte mal ab, in zwei Wochen kommt Meister Nishio nach München, schau Dir erst mal das an.«

Ich bin dann 1995 mit meiner Frau nach München gefahren, wir machten mittlerweile zusammen Aikido. Auf diesem Lehrgang hat es wieder bei mir »klick« gemacht. Ich war überaus beeindruckt. Da war dieser schon etwas ältere Herr, der sich bei einem schnellen und harten Angriff minimal, aber überaus wirkungsvoll bewegte. Er zeigte und sagte Dinge, die mir absolut einleuchtend erschienen. Kurz, es war genau das, was ich noch nirgends gesehen - und was mir im Aikido immer gefehlt hatte. »Das will ich lernen«, war mein Gedanke. Alles, was ich bisher gelernt hatte, empfand ich jetzt als »Unsinn« – das musste es sein, was ich schon immer gesucht hatte.

Ich habe meine Taekwondo Schule meinem ältesten Schüler überlassen und angefangen nach Trainingsmöglichkeiten für Nishio-Aikido zu suchen. Weil es keine gab, habe ich dann angefangen alleine mit Jo und Bokken zu trainieren …

Da ich ein Mensch bin, der »wenn schon, dann richtig« im Familienwappen stehen hat, waren die Konflikte vorprogrammiert. Auf den Lehrgängen, die ich besuchte, sah ich »alte Bekannte« wieder, mit denen ich schon viel trainiert hatte. Ich sah auch, dass sie auf den Lehrgängen versuchten das zu üben, was Nishio zeigte. Zu Hause trainierten sie dann jedoch wieder »ihr altes Aikido«. Ich konnte das nicht mehr und insofern bekam ich ein Problem mit meinen Lehrern.

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