Gespräch mit Nishio Sensei in Saarlouis.

Ich widme mich jetzt meiner Familie.

Shoji Nishio Sensei.
Shoji Nishio Sensei.

»Nishio Sensei, wie alt sind Sie?«

»Ich bin 72 Jahre alt. Zeit, aufzuhören.«


»Vom hiesigen Veranstalter erfuhr ich, dass Sie das letzte Mal in Deutschland sind?«

»Ja, es ist Zeit, das ich meinen Nachfolgern Platz mache, auch will meine Familie es nicht mehr akzeptieren, das ich weiterhin soviel reise.«
»Gibt es einen Ort in dieser Welt, denn Sie gerne noch einmal besuchen möchten? Wo sie gerne einmal trainieren möchten.«

»Ich bin nun alt genug, um in den Ruhestand zu gehen. Yamagucchi Sensei war ein guter Freund, er ist nun auch nicht mehr unter uns. Dieses Jahr musste auch der Doshu von uns gehen. Ich bin praktisch der Einzige, der noch übrig ist. Saito Sensei kann sich auch nicht mehr bewegen. Es wird also Zeit, dass ich zurücktrete. Ich möchte mich langsam zurückziehen. Ich möchte auch etwas Zeit für mich und die Familie haben.«


»Eine Frage an Ihren Nachfolger Jchiro SHISHIYA, ist es schwierig ein „solches Werk" weiterzuführen?«

»Meine grosse Aufgabe ist als erstes, all das, was ich von Nishio Sensei gelehrt bekam, "zu verarbeiten", richtig "zu verarbeiten", um dann zu versuchen, es weiterzuführen.


»Gibt es da noch etwas, was Sie verbessern möchte?«

»In Japan sagt man, das Ziel der Schüler ist, dass sie grösser werden möchten, als es der Lehrer war oder ist. Meine grosse Aufgabe ist, das Thema zu finden. Im Moment habe ich dieses noch nicht gefunden, ich bin noch am verarbeiten.


»Nishio Sensei, haben Sie vor Aikido ein anderes Budo praktiziert?

»Judo und Karate. Iai-do begann ich erst, nachdem ich mit dem Aikido begonnen hatte. Mir wurde klar, wie sehr die Bewegungen von O’Sensei mit dem "Ken" verbunden sind.«


»Letztes Jahr wollten sie zeigen, dass Aikido vom Schwertkampf abstammt. Was steht dieses Jahr auf Ihrem Lehrplan?«

»Die Einstellung dazu, die ändert sich nicht. Der Bewegungsablauf hängt vom "Ken" ab, und das versuche ich zu vermitteln, auf dass es besser verstanden wird. Es gibt zum einen den Unterschied zwischen Ken und Aikido und es gibt einen Unterschied zwischen den Menschen, die Aikido üben und denen die nur Ken-Jutsu üben.

Ich unterrichte ja nicht nur Ken gegen Ken, sondern Ken gegen Jutsu (Hand). Damit möchte ich lehren, woher die Bewegungen kommen. Also, morgen werden wir nicht nur Ken gegen Ken, auch Ken gegen Jo und Ken gegen Jutsu üben. Das ist das Programm, was ich diesmal zeigen möchte.«


»Was hat Sie am Aikido so fasziniert, dass Sie dabei geblieben sind?«

»Sie müssen wissen, das ich ja alle grossen Budokas persönlich kenne und kannte, ich war Uke bei Toplehrern im Judo wie im Karate, ich habe bei den Besten gelernt.

Aber als ich Ueshiba kennenlernte, fühle ich sofort, dass das etwas anderes ist. Ich weiss schliesslich durch meine verschiedenen Ausbildungen, was Kraft ist, aber bei ihm war mir sofort klar, das ist echtes Budo. Das war etwas anderes.

Der erste japanische Boxmeister, der Champion Shirai, war ein Freund von mir, durch ihn habe ich ein gutes Verständnis erhalten von dem, was Stärke ist. Aber das, was ich bei Ueshiba Sensei erlebte, das war wie eine Lähmung. Ich und viele andere auch konnten mit dieser Kraft nichts anfangen, das war einfach zuviel!
»Haben Sie direkt bei O’Sensei trainiert?«

»Als ich mit Aikido anfing, war O’Sensei in Iwama, ich habe in Tokio mit Aikido begonnen. Ich habe Ueshiba Sensei drei Monate nach meinen Eintritt kennengelernt, in Tokio.


»Wie lange haben Sie in Tokio gelernt?«

»Bis zu meinem 2. Dan. Damals habe ich im Finanzministerium gearbeitet und dann dort einen Aikidokurs angeboten. Ich erinnere mich, als ich 4. Dan war, kamen Schüler wie Chiba, Tamura. Damals waren es ja nicht so viele, die "aikidointeressiert" waren, wie das heute der Fall ist.

Damals gab es keine Urkunden, nur an einer Wald hingen Zettel. Da passierte es einem, dass man morgens in Dojo kam und auf einmal dort seinen Namen sah, mit einer höheren Dangraduierung. Das war schon manchmal sehr überraschend.«


»Die Graduierungen waren wohl sehr sprunghaft. Konnte man nicht vom Mu-Kyu zum Dangraduieren ernannt werden?«

»Ja, das ging oft sehr sprunghaft. O’Sensei war da sehr frei in seinen Entscheidungen.«


»Unterscheidet sich das Aikido in den verschiedenen Ländern?«

»Die Schüler, die unterscheiden sich nicht in den verschiedenen Ländern. Ausser, das muss ich leider sagen, dass die Europäer fleissiger trainieren, als die Japaner. Die Japaner kommen nur ins Training, wenn sie glauben, Zeit zu haben. Aber mit einer solchen Einstellung kann man kein richtiges Budo praktizieren.
Ich sage den Japanern immer, ihr müsst von den Europäern lernen.
Auch ich muss fleissig üben, ich plane schon, wie weit ich gehen kann, um zur nächsten Ebene zu gehen. Mein Training unterliegt einem gewissen Plan. Ich versuche, das auch zu vermitteln.»


»In welchem Land sind sie am liebsten?«

»Ich komme in ein Land und ich erfahre es. Wenn ich dann nach einiger Zeit wiederkomme, ist es wieder ganz anders, als ich es in meiner Erinnerung behalten habe. So habe ich zwar immer wieder neue Beziehungen, aber eben auch sehr langjährige Bekanntschaften, mit teilweise überaus fleissig übenden Aikidokas. Das gibt mir ein tiefes Gefühl der Zufriedenheit, ja ich kann sogar sagen, dass mich dies glücklich macht. Da gibt es kein »am Liebsten«.

Meine Aufgabe sehe ich darin, dass sich das Aikido entwickelt, dass ich verstanden werde, dass ich mich verständlich machen kann. Wenn ich dann eine Entwicklung sehe, dann macht mich das glücklich.

Wenn ich z.B. die Möglichkeit habe, ein Seminar von einer Woche zu halten, dann kann ich sehr gut einen Plan verfolgen, in der Hoffnung, dass ich die Technik gut vermitteln kann, und dass sie verstanden wird. So versuche ich auch nie, das gleiche zu zeigen.«

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