Gespräch mit Janina Eisner aus Stuttgart.

Ein weiterer Punkt war die Akzeptanz. Gerade im Aikido können wir als Uke viel über die Akzeptanz lernen,


Janina bei dem Gespräch in Freundenstadt.

Aufmerksam geworden bin ich auf Dich, Janina, durch Deine Homepage, auf welcher Du Deine Körperarbeit und Bewegung vorstellst. Bei den Buttons findet man auch »Geist, Gefühl und Körper«, aber auch Gymnastik, Theater und Aikido.

Wie kann ich mir den Begriff»Körperarbeit« vorstellen?

Der Körper ist primär. Einer meiner Kurse z.B. heisst : »das Theater mit dem Körper«. Das ist natürlich zweideutig, denn es spricht die körperliche und psychische Ebene gleichzeitig an. Körperarbeit heisst, dass wir den Körper primär einsetzen, obwohl wir zwar auch die Sprache einsetzen – aber der Körper hat Priorität.


Wo ist da das Ballett einzuordnen?

Ballett ist eine Bewegungskunst. Ich würde mich so gesehen als Bewegungskünstlerin, Pädagogin und als Sammlerin bezeichnen. Mein Beruf besteht aus diesen drei Bereichen, die ineinander fliessen. Mein »beruflicher Alltag« ist sehr »vielschichtig«. An einer Schwerhörigenschule unterrichte ich Sport und bildende Kunst, gefolgt von Kursen unterschiedlicher Thematik. Neben meiner Unterrichtstätigkeit spielte ich dann auch in einem Ensemble. Seit ca. zehn Jahren bin ich als Solistin auf der Bühne tätig. Aikido ist als neuster Teil dazugekommen, es dient wie die anderen Teile der künstlerischen, aber auch meiner persönlichen Lebensgestaltung.

Du hast vorhin aus dem Text meines ersten Programms »Zwiebeleien & Nullpunkt« gelesen. Dort versuche ich Körper, Geist und Seele zu verbinden.


Es hört sich so an, als ob Du da schon einige Jährchen am Körper-Werk bist?

Ja, es baute sich auf. Erst war es der künstlerische Anspruch – Formen, die mich faszinierten und ansprachen, – dann kam das Aikido dazu. Aber die Entwicklung verlief nicht parallel.
Letzthin las ich ein Buch über Meditationstechnik, dort wurden Faktoren oder Prinzipien als wichtig erarbeitet. Ich stellte fest, dass ich sie wunderbar umsetzen kann für meine Bereiche, meine Aktivitäten, mein Leben. So wie der Faktor, den wir heute in Deinem Training wieder erfahren konnten: »Den Geist des Anfängers« bewahren. Jede Minute ist kostbar, wir müssen sie aber immer wieder neu erleben. Frei sein von Erwartungen, Bewertungen vergangener Erfahrung wird im Faktor »nicht bewerten« deutlich. Ein weiteres Prinzip ist die »Geduld«. Da fiel mir auf, dass dieses Wort zur Zeit weltpolitische Bedeutung hat! Mit etwas Geduld hätte der Irakkrieg verhindert werden können, auf jeden Fall nach Meinung einiger Politiker. Ich kann es auf alle Bereiche übertragen, Geduld brauche ich eigentlich in allen meinen Bereichen.

Ein weiterer Faktor ist das »nicht greifen«. Wir haben ja immer ein Ziel, mit jeder Handlung verfolgen wir einen Zweck und gerade dies wäre ein echtes Hindernis für die Meditation. Diese geistige Einstellung, das »nicht greifen« auf Aikido zu übertragen, bedeutet für mich, einfach Aikido zu machen und dabei nicht nach dem nächsten Gürtel oder Dan zu greifen. Man kann jetzt das nicht unbedingt auf das Theater übertragen, denn dort gelten andere Gesetze.
Mit meinen Gedanken bin ich immer noch in Deinem Training und stelle für mich fest: Ich habe nicht mit Aikido begonnen, um mich besser verteidigen zu können. Das hiesse ja, dass ich vorher nicht in der Lage gewesen wäre. So war mir klar, im Aikido ist der Weg das Ziel, das passt mit dem Prinzip der Meditation zusammen. Das fasziniert mich, das ist für mich logisch, begreifbar.

Ein weiterer Punkt war die Akzeptanz. Gerade im Aikido können wir als Uke viel über die Akzeptanz lernen, eben über den Schmerz. Akzeptanz heisst also, auch Schmerzen ertragen. Von Schopenhauer las ich die Worte: »Schmerzen in Wissen umwandeln«, was ich so auch gerne übernahm.


Aber Aikido hat etwas mit Harmonie zu tun, weniger mit dem »Schmerzen ertragen«. Schmerzen erfahre ich, weil Tori unfähig ist, seine Technik richtig auszuführen. Weil dieser Aikidoka nie lernte, Aikido zu praktizieren.

Es ist sicherlich abhängig von der persönlichen Entwicklungsstufe eines Aikidokas, wie er die Technik ausführt, so dass sie zwingend und nicht schmerzhaft ist. Oft wird ja mangelnde Technik und mangelnde Übung durch Kraft und Brutalität ersetzt. Wenn ich das dann als Uke so erfahre und fühle, bedeutet dies für mich: »Da musst du durch!«

Ganz wichtig dünkt mich, bei der eigenen Ausführung der Technik auf die Aikidoprinzipien zu achten. So kann ich meine eigenen Fehler auch sofort selbst erkennen. Techniken können dann auch misslingen, was mich natürlich emotional schmerzt. Denn Schmerzen erfahre ich ja nicht nur auf der körperlichen Ebene.


Warum dieses Fröhlich-witzig-lustige im Text Deiner Homepage?

Weil ich im Leben dem Schönen, dem Humorvollen, suche, nach dem was mir Freude macht. Und weil ich mich besonders für die komische Seite des Lebens interessiere. Humor ist mir sehr wichtig. Ich bin ein wenig epikureisch angehaucht, ich möchte geniessen. Durch den Humor bekommen Situationen und Tätigkeiten eine Leichtigkeit, ich lerne und lehre leichter.

So wie heute auf der Matte, ich bin ja im Kopf immer noch in Deinem Training. Wenn Du vorzeigst, dann sehe ich das Universelle, die Leichtigkeit, den Humor als Ganzheit. Das gehört zusammen, dann ist es ein Genuss.


Wie bringst du Deine Körperarbeit an den Mann, an die Frau?

Zum Beispiel durch ausgeschriebene Kurse an der Volkshochschule und anderen Bildungsstätten. So habe ich täglich andere Kurse. Ich frage mich aber auch: »muss das denn alles immer sein?«. Andererseits, wenn man etwas kann, dann ist man auch verpflichtet, es weiter zu geben.

Ich merke aber auch stark, wie ich mich dadurch entwickle. Dieser Fluss, von dem wir im Aikido immer reden, der ist mir bei der Theaterarbeit sehr vertraut.


Welche Ausbildung hast Du für diese Körperarbeit?

Schon als Kind war ich sehr körperorientiert. In der Kleinstadt, in der wir lebten, besuchte ich fast täglich den Sportverein, übte Florettfechten, die Bewegung war und ist meine Herausforderung.

Studiert habe ich ich den Beruf der Gymnastiklehrerin. So erklärt sich auch die »Gymnastik« auf meiner Homepage. Gerade die Gymnastikkurse sind mittlerweile mit einer Warteliste belegt. Die pantomimische Kunst lernte ich bei einem Schüler von Marcel Marceau und Samy Molcho, der auch Autor mehrerer Bücher über Körpersprache ist und mir den ersten Anstoss für spätere Kurse in Richtung Körpersprache gab.


Das Aikido kam also erst später hinzu?

Ich war mit dem Ensemble jedes Wochenende beschäftigt, und um auch einmal etwas anderes zu unternehmen, habe ich mit Freunden Aikido begonnen, was mir aber damals nicht viel sagte. Erst vor ca. neun Jahren wurde es intensiver, ausdrucksvoller.
Du weisst, was Dir die veränderte Sichtweite des Aikidos gab? Du nimmst an…?

Vielleicht bedingt durch meine Solistentätigkeit als freie Künstlerin. Im Ensemble, in der Gruppe, obwohl ich die Hauptrolle inne hatte, galten andere Gesetze. Dann kam das Soloprogramm! Das bedeutet Dialog mit dem Publikum, da steht man alleine auf der Bühne.

Im Aikido war ich dann wieder auf einen anderen angewiesen. So wird wohl ein gewisser Prozess stattgefunden haben zwischen der Solodarstellerin, dem Publikum und dem Energiefluss sowie der Anfängerin auf der Matte mit den sportlichen Anforderungen in Verbindung mit der Bewegung. Diese Bewegungsebene wird sicherlich eine Balance mit Aikido, der Sprache und der Pantomime entwickelt haben.
Du weisst nicht mehr, was Dir die Tür zum Aikido öffnete?

Ich muss da nicht so weit zurückgehen. In letzter Zeit gab es einschneidende Ereignisse, Erkenntnisse. Ich bin ja noch nicht so weit, trotzdem bemerke ich oder habe das Gefühl, dass ich jetzt viel weniger verstehe, als zu der Zeit als ich noch erster Kyu war. Sicher wurden durch meine Danprüfungen Türen geöffnet, aber zur Zeit stehe ich vor einer grossen Tür. Ich sehe mehr, ich spüre die Spannung. Du sagtest heute im Training, was ich nicht kenne, das kann ich auch nicht erkennen. Ich kann im Aikido mehr über mich lernen.


Du sagtest vorhin, Du hättest als erster Kyu mehr gewusst als jetzt. Was heisst in diesem Fall »wissen«?

Was ist Wissen? (längere »hmmm«-Pause)
Ich merke an meinen Lesegewohnheiten, dass ich Lektüre über Aikido noch liegen lasse, ich lese lieber Philosophie. Also ist es körperliches Wissen, körperliche Erfahrung, die ich aber intuitiv spüre.

Jahrelang zeigte man mir Aikido, in dem man mir sagte, das macht man nur so und nicht so. Bei dieser freien Arbeit heute morgen hiess es, schnell reagieren, erahnen, spontanes Ausführen, da konnte ich das nicht so gut umsetzen.

Da ich weiss, das ich heute weniger weiss, kann ich auch einfacher los- und zulassen. Es gibt dieses Beispiel mit der präparierten Kokosnuss, in die eine Banane gesteckt wird, der Affe sieht die Banane, greift rein und bekommt die Hand nicht mehr hinaus. So könnte es mir in einem gewissen Stadium heute auch noch gehen, aber Tendenz fallend! (lacht) Das hat sich eben verändert.

Und im Theater gelten wieder andere Gesetze.

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