Teil Zwei des Gespräches mit Willi Frschknecht aus Schönengrund in CH. Teil eins erschien in Ausgabe 20-4/1999.

Willi Frischknecht philosophiert ...über Aikido, Weltfrieden, Harmonie, richtiges Lernen; über das Reifwerden, etc...


Willi Frischknecht vor seinem Dojo in Schönengrund.

»Woran reife ich?«

»Indem ich mich zurückziehe, mir Gedanken mache, mir die Gedanken anderer, die das auch taten, zu Gemüte ziehe, aufnehme.«


»Bin ich verpflichtet, zu helfen?«

»Nein, aber wenn Du das willst. Aber ich bin verpflichtet, zu geben. Als armer, kranker Mann kann ich nicht geben, also muss ich mich entwickeln, dass ich nicht arm und krank bin. Wie werde ich stark und reich – reich zum Geben. Da ist Aikido sehr geeignet, wenn es richtig aufgenommen wird. Viele beginnen mit dem Aikido, aber sie werden auch bald wieder aufhören, sei es weil die Lehrer nicht gut sind, sei es, dass sie es nicht umsetzen können.«


»Du kannst das natürlich leicht sagen, denn in diesem kleinen Land, der Schweiz, ist es "normal", das sich die Menschen grüssen. Auf der Herfahrt habe ich auf einem Rasthof Halt gemacht, da grüsst mich auf dem Parkplatz ein Lastwagenfahrer, obwohl wir uns nicht kennen. Ich denke, das ist etwas, was viel schneller hilft, die Menschen einander näher zu bringen. Durch ein solches, kleines "Grüezi oder grüessech" können sich keine Aggressionen aufbauen! – eine sympathische Eigenheit, wirklich schön. Vielleicht grüssen sich ja die Japaner auch deshalb ständig, kopfnickend, auch in den Kampfsportarten, weil damit die Aggressionen "im Eimer sind, der Wind aus den Segeln pfeift"?«

»Wenn ich nun lange genug Aikido übe, dann werde ich auch bei einem Angriff keine Aggression mehr aufbauen.
»Du meinst, dass ich es dann absorbiere?«

»Ja, richtig. Aber das ist das Schwierige, man fällt so leicht zurück, ist verletzt. Es gibt aber Menschen, die können das absorbieren. Das muss nicht Aikido oder Budo sein, was mich dahin bringt, das kann alles sein, was dem Frieden dient. Aber üben muss ich. Ich kenne Leute, die gehen jedes Wochenende in die Berge. Die sind gesund und zufrieden, die streiten sich nie. Da wir keine "guten" Aikidolehrer haben, üben wir Jahre, es wird so viel Zeit verschenkt.«


»Sind denn unsere Aikidolehrer so schlecht?«

»Ja, unsere Lehrer sind schlecht, und wir sind schlechte Schüler. Es sind gute und grosse Meister, aber denkbar schlechte Lehrer. Sie wurden auch nie auf das hiesige Leben vorbereitet. Sie haben ihr Denken des Ostens, das ganze System des Ostens mitgebracht. Sie wollten uns das so vermitteln, wie sie das in Japan vermittelt bekamen, über jahrelange Umwege. Das funktioniert bei uns nicht.«


»Wie würdest Du das anpacken?«

»Es gibt einige, die am Sonntag extra hierher kommen, damit sie mein Training mitmachen können. Das klingt überheblich, aber ich bin nicht überheblich. Ich habe die Möglichkeit, Dinge neutral zu betrachten.«


»Könntest Du mir ein Beispiel nennen?«

»Halt mich mal fest, ganz fest. Siehst Du, so funktioniert das Ying Yang. Dein Ki floss da soeben. Nichts anderes.«


»Gut, aber das ist das, was ich z.B. seit ca. 16 Jahren von und bei Tamura sehe.«

»Ja, es gibt ja nicht anderes. Wie willst Du es anders machen. Ja, mit mehr Kraft, natürlich, aber das ist doch nicht das, was wir wollen. Mehr Kraft ist nicht die Lösung. Das können die Senseis nicht erklären. Für sie gibt es immer nur üben, üben, üben. Dazu tausend Techniken, aber alles ohne Erklärung. Der Meister muss kommen und dich anfassen und dir das vermitteln.«
»Liegt darin auch die Angst?«

»Angst kommt immer wieder hoch. Da lief was in unserer Entwicklung. Man wird hart und steif, wenn man Angst hat. Das ist ein wichtiger Punkt.

Jeder muss seine »eigene Handschrift« lernen und auch wenn sie nicht lesbar ist, können wir miteinander kommunizieren. Das beginnt dort, wie Du vorhin sagtest, mit der Mutter-Kind-Geschichte. Wenn es da nicht stimmt, dann sind die Problem programmiert.«


»Judo hat dir wohl nicht das gebracht, was Dir Aikido brachte?«

»Doch, Judo hat mir weitergeholfen. Zu Beginn war das wunderbar. Aikido hat mir aber mehr gebracht. Das beste wäre, es so zu machen, wie es Ueshiba machte. Aber das ist nicht möglich. Ich muss meinen eigenen Geist kennenlernen, erst dann kann ich was zeigen. Ich habe nie wieder jemanden gesehen, der so sitzen konnte wie er. Nie wieder.«


»Willi ich bedanke mich für das Gespräch.«

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