Die Dimension eines Weges

Lehrersymposium Aikido in der Benediktinerabtei Münsterschwarzach vom 31.05.2007 bis 03.06.2007

Der Prozess des Lernens und des Werdens – den Wurzeln verpflichtet.

Im großen Bereich des Budo nimmt Aikido eine besondere Position ein. Es ist eine Disziplin, deren Praxis in aller Stille erfolgt. Seine defensive Grundstruktur, den Kampf ad absurdum zu führen, ist eine komplette Veränderung im Budo. Seit über 50 Jahren wird Aikido in Deutschland praktiziert. Vielen Aikidoka wurde das Üben auch zu einem Lebensweg.

Der Grundgedanke des Aikido-Begründers O-Sensei Morihei Ueshiba ist, Aikido als eine Übungsebene weiterzugeben, in der ein wichtiger ethischer Aspekt das Handeln bestimmt: die Entwicklung des optimalen Miteinanders. Damit wächst der Aikido-Übende über die übliche, auf absoluter Konfrontation bestehende, Handlungsweise hinaus. Das kontinuierliche Üben hinterlässt unübersehbar auch in der geistigen Struktur des Übenden seine Spur. Es beeinflusst sein weiteres Handeln auch auf anderen Ebenen seines Alltags. Das stete Üben wird zum WEG, der zu einer neuen und positiven Verhaltensweise und Sicht auf die inneren und äußeren Vorgänge des Lebens führt.

Die positive Resonanz auf das Buch von P. Dr. Jonathan Düring OSB »Der Gewalt begegnen – Selbstverteidigung mit der Bergpredigt« veranlasste die Organisatoren, dieses Symposium zu veranstalten. Das Buch zeigt auf, dass der christlichen Tradition der Gedanke des WEGES nicht fremd ist, sondern zu ihrem Wesenskern gehört. Gerade im Üben des Aikido, dem Üben des Taijutsu, ist es möglich, der Kraft aus den Wurzeln der je eigenen Tradition auf die Spur zu kommen. Dies gilt auch für das »Ora et labora« der Benediktinermönche. Das Symposium bot eine Möglichkeit, in dieser spannenden Verbindung neue Wege der gegenseitigen Hilfe auf dem Weg zu entdecken.

Der Austausch bei diesem Symposium, sei es im körperlichen Üben wie auch auf der verbalen Ebene, sollte dazu beitragen, an der Wegerfahrung des Anderen, seinem Mut, seiner Zuversicht, seiner Erkenntnis und Freude Anteil zu haben. Der Austausch wollte eine Stärkung für den eigenen Weg sein, eine Möglichkeit, den eigenen kulturellen und spirituellen Wurzeln nicht fremd zu werden.

In diesem Sinne trafen am Donnerstag 17 Aikidoka in Münsterschwarzach ein. Nachdem die Unterbringung besprochen war, begann das Symposium mit einem gemeinsamen Mittagessen. Wir Gäste wurden aus der Küche der Mönche versorgt. Schon hier wurde deutlich, dass Mönche sorgsam arbeiten, denn es schmeckte hervorragend.
Die Tage waren mit unterschiedlichen Themen und Unternehmungen gefüllt. Donnerstag Nachmittag führte uns Pater Jonathan als bestens bewanderter Gastgeber durch das Benediktinerkloster und erzählte uns viel über die Gebäude des Klosters und ihre bewegte Geschichte.

Anschließend zog jeder Teilnehmer ein Blatt Papier, auf dem ein zum Nachdenken anregender Spruch von O-Sensei Morihei Ueshiba stand, den jeder als Motto für die Tage betrachten konnte.

Es waren acht Sessions Aikido vorgesehen, von denen die erste und die letzte von den Gastgebern Pater Jonathan und Edmund Kern geleitet wurden, die anderen fünf wurden unter den Teilnehmern ausgelost. So kamen wir zu einer bunt gemischten Vorstellung der Breite des Aikido.

Wir wurden eingeladen, an den jeweiligen Gebetszeiten der Mönche teilzunehmen. Viele Aikidokas nahmen dieses Angebot an und ließen sich von der einfachen und klaren Art, in der die Mönche die Gebete sangen, berühren. Der Weg der Mönche blieb mir, und wie ich aus vielen Rückmeldungen ersehen konnte, auch anderen, in bleibender Erinnerung – mehr als man vielleicht anfangs meinte.

Begleitet von einem Beitrag von Edmund Kern wurde am ersten Abend in einer Gesprächsrunde der Begriff des »Lehrers« diskutiert, wie er in unserer Welt gesehen wird und wie er im Hinblick auf die speziellen Anforderungen im Aikido wohl zu sehen wäre. Hier wurde schnell klar, dass es hier über das reine Vermitteln von Wissen oder Techniken hinausgeht, und dass ein Aikidolehrer immer auch als Bewegungs-Vorbild gilt und so sein eigenes körperliches Bewegungsmuster, seine innere und äußere Haltung an seine Schüler weitergibt. Dass man somit als Übungsleiter die Verantwortung trägt, sich immer zu bemühen, vorne stehend stets sein Bestes zu geben.

Es wurden sehr interessante Gespräche über die jeweiligen Sichtweisen des Aikido-Weges der einzelnen anwesenden, meist langjährigen Aikidolehrer und dessen Auswirkungen geführt. Hier wirkten die durchaus sehr unterschiedlichen Charaktere sehr erfrischend und anregend.

Ein großer Anteil der Tage war mit Aikido-Trainingszeiten belegt. Die oft körperlich anstrengenden und bei schönem Wetter recht schweißtreibenden Aikido-Übungseinheiten vermittelten sehr direkt die Verbindung des Weges des Aikido mit dem Weg des Benediktinermönches: »Bete und Arbeite!« Hier wurden gerade die vermeintlich einfachen Übungen als ganz wesentlicher Bestandteil des Übungsweges erkannt. Hierzu muss man ganz betont auch die Dojo-Etikette zählen. Weitere grundlegende Bestandteile des Aikido – wie aufrecht stehen, einfach nur gehen, oder sein Zentrum in die Bewegungen integrieren – zählen gleichermaßen dazu. Das Schwert / Bokken wurde von gleich mehreren Lehrern als zentraler Teil ihrer jeweiligen Übungseinheit eingebunden, was sehr passend seinen hohen Wert für die wichtigen Hintergrundinformationen zum Verstehen des Taijutsu wiederspiegelte. Die Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe beim Üben war sehr herzlich und alle Teilnehmer bemühten sich sehr, ihre Aikidoformen weiter zu verbessern. Oder wie Edmund Kern es gerne sagt: »Es kommt nicht darauf an, was man tut, sondern wie man es tut.«

Ein weiterer wichtiger Punkt auf dem Themenplan der Session war der Begriff »Awase«. Hier konnte man schnell die Wichtigkeit der Pausen und der Rhythmisierung erkennen – eine weitere Gemeinsamkeit mit den Gebeten der Mönche. Es zeigte sich in den Tagen, dass die Verbindung der beiden Welten in diesem Symposium ein wertvoller Beitrag zur Abrundung unserer Tätigkeit als Aikidolehrer war. Die beiden Welten können tatsächlich voneinander profitieren und lernen.

Die meisten Teilnehmer berichteten, dass sie Antworten auf einzelne offene Fragen fanden, teilweise ganz anders als erwartet. Die Zusammenarbeit im Kloster war hervorragend, die Stimmung herzlich und anregend.

Ein Grillabend rundete den Samstag-Abend ab, hier konnten wir uns noch mal an der hohen Qualität der selbst hergestellten Lebensmittel des Klosters erfreuen. Beim Zusammensitzen und Diskutieren wurden an diesem Abend auch viele Ideen für kommende Treffen gefunden.

Alle waren sich einig, dass diese Art der Zusammentreffen unter Aikido-Weggefährten zu einer möglichst regelmäßigen Einrichtung werden sollte. Das Wohnen im Gästehaus des Klosters ist sehr einfach und sehr angenehm, denn man fühlt sich sofort willkommen, gut aufgehoben und gern gesehen.

Ich selbst werde wohl noch oft gerne an die Tage in Münsterschwarzach denken und mich dann etwas bestärkt wieder auf den Weg des Aikido begeben.

Ganz herzlich bedanke ich mich für die Einladung und die schönen Stunden bei Pater Dr. Jonathan Düring OSB und bei Edmund Kern Kyoshi 8. Dan.

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